Wie könnte sich die Medienlandschaft nach der Übernahme von Gruner + Jahr durch RTL verändern?

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Wie verändert sich die Medienlandschaft nach Übernahme von G+J durch RTL?

Rundfunkkonzern übernimmt Verlagshaus

Es gilt als einer der größten Medienzusammenschlüsse in Deutschland: Die RTL Television Group hat nun angekündigt, die Mehrheit der Anteile des Hamburger Verlags Gruner + Jahr für 230 Mio. € zu kaufen. Doch ist ein TV-Sender in der Lage, auch plötzlich Verleger zu sein?

Nach monatelangen Verhandlungen steht fest: Die Sendergruppe RTL Deutschland wird das Verlagshaus Gruner + Jahr ab dem 1. Januar 2022 übernehmen. Somit werden Marken wie Brigitte, Geo und Schöner Wohnen nun zur RTL Group übergehen. Lediglich am Spiegel und der DDV Mediengruppe wird eine Teilbeteiligung von Bertelsmann bestehen bleiben. Bisher gehörten sie beide als Tochterkonzerne zur Bertelsmann Group.

Die Synergieeffekte daraus betragen schätzungsweise 100 Millionen Euro im Jahr, davon sollen drei Viertel durch zusätzliches Wachstum entstehen und ein Viertel durch Einsparungen. Die Entscheidung wurde fast zeitgleich mit der Bilanzverkündung der RTL Group veröffentlicht, bei dem Rekordergebnisse für das erste Halbjahr gelobt und der Ausblick für 2021 angehoben wurde.

Thomas Rabe, der seit 2012 Vorstandsvorsitzender der Bertelsmann Group ist und seit 2019 Chief Executive Officer der RTL Group, schwärmt viel über die Fusionierung: „Es entsteht ein journalistisches Powerhouse mit der Inhalte-Kompetenz von mehr als 1500 Journalistinnen und Journalisten“. Trotz dessen soll „selbstverständlich“ das Chefredakteursprinzip aufrechterhalten werden, obwohl eine enge Partnerschaft zwischen den Redaktionen angestrebt wird.

Doch was bedeutet es genau, wenn der einst größte Verlag in Europa nun von einer Sendergruppe übernommen wird? Welche Chancen, aber auch Herausforderungen entstehen daraus?

Aufnahme mit den Medienriesen

Rabe sprach von dem Ziel eines „nationalen crossmedialen Medienchampions“. Die Gegenwart sieht bisher anders aus: Der Umsatz von G+J sinkt nämlich seit Jahren. Während 2010 noch 2,2 Mio. € erwirtschaftet wurden, war es 2020 nur noch rund die Hälfte. Gründe dafür sind unter anderem Werbe- und Auflageneinbußen, die fortschreitende Digitalisierung, sowie der Verkauf von Tochtergesellschaften.

Durch diesen Zusammenschluss soll ein großes Netz aus unterschiedlichen Medienformaten entstehen, die wiederum zu nationalen ‚Champions‘ aufsteigen sollen. Laut Rabe versuchen die nationalen Medien auf diese Weise mit den amerikanischen Mediengiganten wie Netflix, Amazon & Co mithalten zu können.

Imagewechsel

Betrachtet man das Image der Fusionspartner, fällt schnell auf, dass diese sich nur in Wenigem überschneiden. Während RTL bisher eher auf leicht verdauliche Unterhaltung gesetzt hat, befinden sich bei Gruner + Jahr gehobene Zeitschriften mit höherem journalistischem und wissenschaftlichem Anspruch.

Doch das will RTL nun ändern und hat dafür auch die Moderatoren durchgewechselt: Bohlen, Pocher und Co., die bisher fast stellvertretend für den Sender standen, sind nicht mehr zu sehen. Stattdessen wechseln Pinar Atalay und Jan Hofer von der Tagesschau nun in ein neues Nachrichtenformat von RTL.

Es ist wohl erst der Anfang einer Vielzahl von kleinen Image-Veränderungen. RTL plant schon lange, in Zukunft für aussagekräftigere Inhalte bekannt zu sein und sich somit den öffentlich-rechtlichen Medien inhaltlich zu nähern.

Neue Projekte

Viele weitere Veränderungen stehen an: Zum einen soll das RTL-Streaming-Portal vorangetrieben werden. Zum anderen kommen mit Stern Investigativ und RTL Aktuell neue Sendungen mit informativen Inhalten zu RTL. Zudem bietet Geo die Gelegenheit, das Angebot von hochwertigen Wissensformaten bei RTL anzubieten.  Für 2022 ist bereits eine erste High-End-Dokumentationsreihe geplant. Auf diese Weise möchte sich RTL Deutschland als Führung von Qualitätsfernsehen etablieren, die Streaming-Plattform mit Angeboten gefüllt werden und dadurch wiederum weiter in Projekte investiert werden.

Standort Hamburg

Rabe betonte, dass der Standort von G+J in Hamburg erhalten bleiben soll und die 2500 Mitarbeiter nicht umziehen müssen. Dennoch werden wichtige Entscheidungen künftig wohl nicht mehr am Baumwall getroffen, sondern in Köln oder Luxemburg.

Ebenfalls soll ein Viertel der Synergie aus Einsparungen kommen. Inwieweit sich dies auf den Personalabbau bezieht, bleibt noch unklar.

Verzahnung von Unternehmensbereichen

„Bewegtbilder und Magazine sind wie Feuer und Wasser – das passt nicht zusammen», so der ehemalige stellvertretende Chefredakteur vom Stern Manfred Bissinger. Aber was passiert wirklich, wenn Bewegbild-Medien Print-Medien übernehmen? Wenn ein TV-Sender auch zum Verleger wird?

Die Konzentration von einflussreichen Medien in einem Konzern kann prinzipiell ein großer Vorteil sein, denn man profitiert von den einzelnen Redaktionen und kann die jeweiligen Expertisen bündeln, um etwas Besonderes zu schaffen.

Aber eine zu starke Konzentration kann auch zu einer verringerten Meinungs- und Themenpluralität führen. Vermutlich thematisieren sie in Zukunft ähnliche Inhalte, allerdings auf unterschiedlichen Kanälen, unter anderem Fernsehsendung, Podcast und Print. Sobald kanalübergreifende Themen vorgegeben sind, müssen sich die jeweiligen Redaktionen daran anpassen. Für bestimmte Nischen, von denen Magazine in der Regel sehr stark profitieren, ist dann oft kein Platz mehr. Das ist insbesondere ein Problem, wenn die Redaktionen eigentlich sehr unterschiedlich in ihren Themengebieten sind. Somit könnten im Worst-Case-Szenario die jeweiligen Redaktionen und Magazine ihre Eigenart verlieren und sind dann aus Augen des Konsumenten austauschbar.

Ebenfalls wurden Amazon und Netflix häufig kritisiert, ihre Monopolstellung auf dem Markt könne von kleineren Mitbewerbern alleine nicht aufgeholt werden, deswegen müsse man sich zusammenschließen. Aber Amazon ist eine Marke mit einem klaren Unternehmensbild. Gleiches kann von Magazinen wie Geo und Brigitte, zusammen mit RTL Deutschland, nicht vollständig behauptet werden.

Auch Helmut Thoma, der mehrere Jahre Geschäftsführer von RTL war, kommentierte die Situation. So wollte man schon in den 80ern und 90ern verstärkt mit G+J zusammenarbeiten, damals funktionierte das aber nicht: „Man kann diese zwei Welten, Print und TV, nicht vereinen. Kreativität lässt sich nicht so einfach hin- und herschieben und aus einem Magazinjournalisten wird nicht von heute auf morgen ein Fernsehreporter“. Die Kreativität scheint hier der springende Punkt zu sein, denn jedes Medium hat andere Nutzungsweisen, Stilmittel und Funktionen, die angeeignet werden müssen. Für Redaktionen, die sich bisher immer nur mit einem speziellen Medium auseinandergesetzt haben, kann die Umstellung fatal sein. Ob der Zusammenschluss von Print und TV jetzt nur ein überwindbares Hindernis ist oder grundsätzlich unvereinbar, kann letztendlich nur die Zeit zeigen.

 

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